Warum Dreifachverglasung allein kein Qualitätsmerkmal ist
Dreifachverglaste Fenster sind längst Standard geworden. Entwickelt wurden sie ursprünglich für das Passivhaus. Das heißt aber keinesfalls, dass im Umkehrschluss jedes Fenster mit drei Gläsern für das Passivhaus geeignet ist. Die Qualitätsunterschiede sind erheblich.
U-Wert ist nicht alles
Für eine hervorragende Gesamteffizienz von Fenstern ist immer eine relativ hohe Scheibendicke erforderlich. Für die Dämmung optimal sind Scheiben mit 4 mm Stärke und 18 mm Zwischenräumen. Der sich daraus ergebende Aufbau (4-18-4-18-4) führt zu einer Gesamtstärke des Verbunds von 48 mm. So ist das gesamte Fenster also recht dick, was es auch in der Fertigung aufwendiger macht, zumal man als Fensterbauer die richtigen Maschinen dafür braucht. Viele arbeiten aber noch mit längst abgeschriebenen Anlagen, die für die früher üblichen Zweifachverglasungen konzipiert waren und mit denen man nur dünne Fenster herstellen kann. Damit werden jetzt vielfach schlanke Fenster mit Dreifachverglasungen produziert. Somit können die Fenster zwar sehr günstig gefertigt und verkauft werden, die Qualität hat aber schon wegen der geringen Scheibendicke nichts mit einem Passivhausfenster zu tun. Solche Produkte sind es, die dann im Baumarkt landen. Der U-Wert als Maß für die wärmedämmende Wirkung kann dabei noch ganz gut aussehen. Aber der U-Wert des Fensters entscheidet nicht allein über dessen Gesamteffizient. Genauso wichtig ist auch der g-Wert als Energiegewinnfaktor des Glases. Eine Faustregel besagt: Mit der Verbesserung des g-Werts um 6 % kann eine Verschlechterung des U-Wertes von 0,1 W/(m²K) ausgeglichen werden. Dabei liegt die Herausforderung bei der Herstellung darin, einen guten U-Wert hinzuhekommen, ohne den g-Wert zu schlecht zu machen — denn U-Wert und g-Wert sind die zwei Seiten einer Medaille.
Zur Qualität gibt es interessante Berechnungen: Vergleicht man ein durchaus übliches Dreifachglas mit einem U-Wert von Ug=0,7 W/(m²K) und einem g-Wert von 50% mit einer konventionellen zweifachen Isolierverglasung mit Ug=1,1 W/(m²K) und einem g-Wert von 65 %‚ ist Letztere energetisch an der Südseite besser als die Dreifachscheibe, weil das Mehr an solaren Gewinnen den schlechteren Dämmwert überkompensiert. Auf der Nordseite, nachts und bei bewölktem Himmel ist freilich die Dreifachverglasung wieder im Vorteil. Dreifachverglasung ist also nur wirklich sinnvoll, wenn sie Passivhausqualität hat. Dann ist sie bei jedem Wetter und in jeder Himmelsrichtung der Zweischeibenverglasung überlegen. Aktuelle Dreifachgläser haben bei einem U-Wert von Ug=0,5 W/(m²K) einen g-Wert von 62 %. Der g-Wert ist also annähernd der gleiche wie bei Zweifachglas während der U-Wert nur halb so groß ist.
Neben der Scheibendicke haben billige Dreifachfenster auch ein ProbIem mit der Qualität des Rahmens. Die dünnen Rahmen sind für zwei Gläser konzipiert, haben deshalb oft ein statisches Problem, wenn sich mit der dritten Scheibe das Gewicht um 50 % erhöht. Außerdem sind die U-Werte des Rahmens bei einem dicken Fenster natürlich besser als bei einem dünnen.
Wirklich gute Fenster mit überzeugender Gesamteffizienz stellen sich den strengen Prüfkriterien des Passivhaus Instituts und lassen sich nach deren wissenschaftlicher Norm zertifizieren. Nur Fenster, die vom Passivhaus Institut zertifiziert wurden, sind untereinander vergleichbar, weil das Prüfverfahren nicht mit herkömmlichen Herstellerangaben oder den Testungen anderer Organisationen vergleichbar sind. Deshalb gilt es, sehr skeptisch zu sein, wenn ein Fensterbauer vorgibt, ein Passivhausfenster anzubieten, für das er sich aber die Zertiflzierungskosten gespart hat.
Das Passivhaus Institut setzt übrigens hei der U-Wert-Berechnung des gesamten Fensters immer Gläser ein, die mit Ug=0,7 W/(m²K) eher von mittelmäßiger Qualität sind. Das ist sinnvoll, weil dadurch die Auswirkungen des Rahmens, den es ja eigentlich zu zertifizieren gilt, weit besser herausgearbeitet werden können als bei einer besseren Verglasung. Wenn das PHI so für das Fenster einen U-Wert von Uw=0,8 W/(m²K) ermittelt, hat dies eine andere Bedeutung, als wenn andere Institute für andere Fenster den gleichen Wert ermitteln und allenfalls im Kleingedruckten steht, dass dabei eine Verglasung mit Ug=0,5 W/(m²K) angesetzt wurde. U-Wert ist eben nicht gleich U-Wert. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich erwähnt, dass das zertifizierte Passivhausfenster zwar mit einem Glas mit Ug=0,7 W/(m²K) zertifiziert ist, aber freilich mit besserem Glas angeboten wird. Bei der Passivhausplanung wird deshalb auch immer mit den tatsächlichen Fenstermaßen und der konkreten Scheibenqualität gerechnet.
Bei Sondergläsern mit zusätzlichen Anforderungen an Schallschutz, Einbruchschutz oder Statik müssen die einzelnen Scheiben dicker werden, z. B. innen 9 mm, mittig 6 mm und außen 9 mm für absturzsichernde Scheiben. Dann ergibt sich eine Gesamtdicke von 60 mm. Bei einigen Passivhausfenstern lässt sich aber nur Dreifachglas mit max. 48 mm Dicke einbauen. Dann ist bei einer Standardverglasung der U-Wert Ug=0,5 W/(m²K), bei Sondergläsern kann aber nicht der optimale Scheibenzwischenraum von 18 mm eingehalten werden, sodass der U-Wert auf Ug=0,7 W/(m²K) abrutschen kann. Bei guten Passivhausfenstern kann man auch 60 mm dicke Sonderverglasungen einbauen.
Gasfüllung
Einen Unterschied macht auch die Gasfüllung der Scheibenzwischenräume. Luft ist ein relativ schlechter Wärmeleiter und kann somit eine gewisse Dämmfunktion übernehmen. Aber es geht eben noch viel besser, indem die Zwischenräume mit Edelgas gefüllt werden. Dabei gilt: Je schwerer das Gas ist, umso besser ist die Wärmedämmung. Hier hilft die Tabellensammlung aus dem Chemieunterricht weiter: Die Masse von Luft liegt hei 28,96 g/mol, die der Edelgase Argon bei 39,95 g/mol und Krypton bei 83,8 g/mol. Xenon wäre noch einmal deutlich schwerer (131,29 g/mol). Gase haben gleichzeitig eine geringe Moleküldichte und sind deshalb schlechtere Wärmeleiter als feste Stoffe. Für die wirksame Wärmedämmung im Scheibenzwischenraum spielt das höhere Gewicht von Edelgasen im Vergleich zu Luft vor allem deshalb eine wichtige Rolle, weil sie dadurch in ihrer Bewegung deutlich träger sind.
Durch die Temperaturunterschiede entsteht zwischen den Scheiben eine Strömung: Das Gas kühlt sich an der kalten Scheibe ab und fällt nach unten, gleichzeitig erwärmt es sich an der gegenüberliegenden, wärmeren Scheibe und steigt nach oben. So entsteht ein Kreislauf, der die warme Seite sukzessive abkühlen lässt. Je schwerer dabei das Gas ist, umso langsamer geht dieser Wärmetransport von der warmen zur kalten Seite vonstatten, umso besser ist also die Wärmedämmung. Deshalb ist man von der bis in die 1990er-Jahre üblichen Dämmung mit Luft längst zu den Edelgasen übergegangen.
Welches Gas eingesetzt wird, ist vor allem eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Argon ist in relativ hohem Maße in der Luft vorhanden und lässt sich deshalb relativ einfach gewinnen. Krypton und erst recht Xenon sind deutlich aufwendiger zu gewinnen. Andere Gase scheiden ganz aus, weil nur bei Edelgasen gewährleistet ist, dass diese nicht mit anderen Elementen in der Scheibe, etwa mit der Low-E-Beschichtung, reagieren und dabei Verfärbungen entstehen. Deshalb sind Passivhausfenster meist mit Argon, teilweise auch mit Krypton gefüllt — allerdings erreicht man mit beiden Gasen bei optimalen Scheibenzwischenräumen Dämmwerte von Ug=0,5 W/(m²K).
Low-E-Beschichtung
Fensterglas ist seit Langem mit einer sogenannten Low-E-Beschichtung ausgestattet, die tatsächlich sogar aus rund 20 verschiedenen Einzelbeschichtungen besteht. Dabei handelt es sich um metallische Elemente, die auf die Scheiben aufgedampft werden. Die Schichten erfüllen ganz verschiedene Funktionen, die die Glaseigenschaften beeinflussen sollen. Für die energetische Qualität des Fensters relevant ist vor allem die Beeinflussung des U-Werts sowie des g-Werts. Eine Low-E-Beschichtung, die viel Wärmestrahlung zurück in den Raum reflektiert, optimiert den U-Wert. Zugleich wird aber auch die von außen einfallende Wärmestrahlung der Sonne reflektiert; der g-Wert und damit der Energiegewinn sinkt also. In der Praxis hat man die Low-E-Beschichtungen heute fein austariert.
Warme Kante
Bei Passivhausfenstern längst üblich: die Warme Kante. Dabei handelt es sich um den Abstandhalter, der am Rand der Scheiben den Abstand zwischen den Gläsern herstellt und so den Scheibenzwischenraum bildet. Herkömmlich wird dieser aus Aluminium hergestellt, was zu nicht unerheblichen Wärmeabflüssen am Glasrand führt. Die Warme Kante dagegen ist aus Kunststoff, der ein schlechterer Wärmeleiter als Aluminium ist. Die Wirkung des Abstandhalters ist jedem geläufig: Wenn sich bei Nicht-Passivhäusern bei kalter Witterung Kondenswasser auf den Fensterrahmen sammelt, wird deutlich, wie stark hier die Abkühlung aufgrund der metallischen Abstandhalter ist.
Bei Fenstern mit Warmer Kante und Dreifachglas ist der Wärmeabfluss minimal, ein Tauwasserausfall praktisch ausgeschlossen. Trotz dieses erheblichen Vorteils der Warmen Kante werden heute immer noch rund 30 % der Fenster mit herkömmlichen Abstandhaltern verkauft — in der Regel weil die Beratung unzureichend ist und die Bauherren sich die vermeintlich unnötigen Mehrkosten von bis zu 500 € je Bauvorhaben ersparen möchten.
Die Rolle des Rahmens
Der Fensterrahmen war und ist neben der Scheibe der zweite große Hebel, mit dem Fenster in ihren energetischen Eigenschaften optimiert werden. Die U-Werte der Rahmen zu verbessern, war lange prägend für die Entwicklung von Passivhausfenstern. Im ersten Schritt hat man schlicht dickere Rahmen gebaut. Diese waren einerseits technisch notwendig, um das geeignete Glas einzubauen, denn statt der Zweifachverglasung mit 24 mm musste der Rahmen nun eine Dreifachverglasung mit 48 mm fassen. Andererseits heißt dicker auch mehr Material = mehr Dämmung.
Im nächsten Schritt hat man begonnen, die Rahmen zusätzlich zu dämmen. Bei Holzfenstern wurde innerhalb des Rahmens eine Kerndämmung eingebaut, bei Kunststofffenstern wurden die Kammern der Rahmenprofile mit Dämmung gefüllt. Auch außenliegende Dämmschichten wurden verwendet. Das Konzept war also, einen Teil des Rahmenmaterials durch Dämmstoff zu ersetzen. Dabei zeigten sich durchaus auch Probleme, vor allem bei den Fragen von Trennung, Recycling und Entsorgung.
Die Tendenz geht heut dahin, dass die Rahmen auf Dämmstoffe verzichten, dafür noch tiefer werden (mehr Material), gleichzeitig in der Ansicht aber schmaler. Schmalere Rahmen sind beim Passivhausfenster die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre. Die Idee dahinter: Wenn wir es bei einem tvpi schen Fensterformat schaffen, den Rahmen auf jeder Seite schmaler zu machen, haben wir am Ende bis zu 15 % mehr Glasfläche; und das bedeutet mehr Licht und mehr Energiegewinn. Das ist ein ganz erheblicher Faktor für bessere Dämmwerte und höhere Energiegewinne. Natürlich sind dieser Entwicklung Grenzen gesetzt: Schmalere Rahmen bedeuten weniger Material, und weniger Material bedeutet weniger Stabilität. Der Rahmen muss schließlich das Gewicht der Scheiben tragen, was bei Dreifachverglasungen naturgegeben 50 % höher ist als bei Zweifachfenstern und bei höherem Glasanteil durch schmale Rahmen weiter steigt. Außerdem geht die Tendenz heute zu größeren und damit noch schwereren Fenstern. Unendlich schmal können deshalb die Rahmen nicht werden.
Ein Wort noch zum Material: Wer besonders günstige Fenster möchte, greift zum Kunststofffenster. Wer außen wie innen die Holzoptik schätzt und dabei einen gewissen Pflegeauf wand nicht scheut und wer für sein Projekt vielleicht auch größere Formate braucht, ist mit Holzfenstern gut beraten. Vom Pflegeaufwand der Holzfenster kann man sich mit Holz-AIu-Fenstern befreien, diese haben alle Vorteile des Holzfensters und lösen gleichzeitig alle Fragen zu Witterungsschutz und Pflege.
Fazit
Fenster haben in den letzten Jahrzehnten große Innovationssprünge gemacht: Vom Schwachpunkt in der Außenwand wurde die Verglasung - zumindest im Passivhaus - zu einem Bauteil, das auch im Winter mehr Wärmeenergie gewinnt als verliert. Es soll hier noch einmal betont werden, dass der U-Wert eines Fensters nur einer von vielen Faktoren ist, der über die Qualität eines guten Fensters entscheidet. Für die Gesamteffizienz ist auch der g-Wert entscheidend. Für eine weitere "Olympiade der U-Werte" gibt es im Fenstersektor keinen objektiven Anlass: Einen zusätzlichen Komfortgewinn kann es nicht geben, eventuell weitere Effizienzgewinne werden sehr teuer erkauft, die zu erwartenden Heizkostenersparnisse sind im Vergleich marginal.
Den gesamten Artikel von Dirk Wiegand lesen Sie auch in "Klimafreundlich Bauen 2022", dem Magazin für Passivhaus & Co.